Dieser Blog ist über mich, Birgit KOBER, ein Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft (Behindertensport) und ich bereite mich auf die Paralympics in Rio 2016 vor.
In diesem Blog lasse ich Sie an meinen Höhen und Tiefen im letzten Jahr vor diesem Großereignis teilhaben, an meinem persönlichen COUNTDOWN für RIO 2016.

Montag, 27. Juni 2016

Bericht Europameisterschaft Grosseto 2016 - 73 Tage bis Rio 2016


Ich hab mich sehr auf die Europameisterschaften in Grosseto gefreut. 
Diesmal hatte ich meine Nachbarin Sandra Merino de Groß als Begleitperson mit dabei und wir sind mit dem Auto gefahren, was immens praktisch war. Ihr Mann hat sich extra Urlaub genommen und wie immer hilft mir so ein Netzwerk, auch mit meinen Nachbarn aus dem 10. Stock, die sich ebenfalls um die Katzen kümmern, dass ich überhaupt wegfahren kann. Das sei ganz zu Beginn erwähnt!
Wir haben auf der Hinfahrt einen Zwischenhalt plus Übernachtung in Modena gemacht, weil es sonst zu stressig geworden wäre. 

Im Hotel "Fattoria La Principina" waren alle Nationen, also alle Athleten, untergebracht. Das Gelände ist sehr weitläufig, das Hotel auch groß, insofern hat das schon gepasst. Mir gefällt es auch immer ganz gut, wenn ich meine Sportfreunde und Bekannten aus vielen Ländern treffe, mit denen ich mich über die Jahre angefreundet habe. 

Mein Wettkampf war am vorletzten Tag, deshalb hatte ich davor noch genug Zeit zum Trainieren und auch um meinen Kollegen vom Team bei ihren Wettkämpfen zu zu sehen. 
Zudem war das Meer nur 5km entfernt, genauso wie die wunderschöne kleine Altstadt von Grosseto. Es war nicht viel Zeit, aber immerhin soviel, dass wir zu beidem einen Abstecher machen konnten. 

Die Organisation vor Ort, einschließlich Transport vom Hotel zum Stadion und zurück, das hat wirklich gut geklappt. Die ganzen Volunteers waren total klasse, sehr hilfsbereit und immer sehr nett. 

Das Essen im Hotel war halbwegs o.k., sagen wir so, es wurde abwechslungsreicher. 


Das Training selbst lief sehr gut, ich hatte Weiten, die mich ruhig und entspannt in den Wettkampf gingen ließen. Mein Ziel war einfach, das auch so umzusetzen. Definitiv brauchte nicht unbedingt der Weltrekord fallen, aber ich wollte schon das zeigen, was ich in der letzten Zeit im Training gestoßen hatte. 

Ich bin natürlich angespannt vor einem Wettkampf, aber nicht so, dass ich mich dadurch selbst ausheble. Ich freue mich sogar drauf. Es gibt eine feste Routine vor dem Wettkampf, die ich immer gerne einhalte, sofern dies möglich ist. Am liebsten bin ich "länger" vor der Callroomzeit im Stadion, bzw. Aufwärmstadion. (Die "Callroomzeit" ist die Zeit, die ein Athlet einhalten muss, bevor er dann zum Wettkampf geht. Er muss sich rund 60 Minuten vor dem Wettkampf beim sogennanten "Callroom" melden und bleibt dann auch dort). 

Ich stoße mich gern in Ruhe nochmal mit 4-6 Stößen ein, hab damit für mich so das Gefühl, dass mir die Kugel gut hinter der Hand liegt und dass ich beruhigt in den Wettkampf gehen kann. Dann setze ich mich zu den anderen, die auch Wettkampf haben, lasse die Atmosphäre auf mich wirken und werde damit auch immer ruhiger. Was andere nervös macht, das macht mich ruhig. Wenn es dann tatsächlich in den Callroom und später ins Stadium geht, dann empfinde ich eine gute Anspannung. Ich freue mich auf den Wettkampf, darauf, dass ich zeigen kann, was in mir steckt. 

Diesmal war es mein erster internationaler Wettkampf im Stehen und das erfüllte mich mit Stolz. Ich bin noch nie gestanden, als ich vorgestellt wurde, als mein Name aufgerufen wurde. Super! Was ich nicht so mag, wenn ich direkt als Erste drankomme, aber das war nicht der Fall. 

Foto: Marcus Hartmann (DANKE!)
Meinen ersten Stoß hab ich aus dem Stand gemacht und er ging mir nicht so von der Hand wie ich das wollte. Dennoch war er 10,20m, was mich überrascht hat. Das war ein neuer Europarekord. Die nächsten drei Stöße waren allesamt nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich wusste, was ich falsch gemacht habe, aber ich konnte es nicht ändern, was mich unheimlich geändert hat. Dann, beim fünften Stoß (mit Schritten) kam ich besser rein und hatte erneut 10,20m. Das hat mich gefreut. 

Vor meinem 6. Stoß wäre ich schon Europameisterin gewesen, aber ich wollte gerne mit einer Weite aufhören, die ich auch immer im Training hatte. 10,50-10,60m hätten mir gereicht. Ich hab die Augen geschlossen, hab mir den Olympiastützpunkt vorgestellt, das Stadion und dann hab ich angefangen. Und als mir die Kugel von der Hand ging, da wusste ich schon, dass es weit wird. Ich dachte, dass ich mein Ziel sicher erreicht habe, aber da es erst ab 12m abgesteckt war, konnte ich die Weite nicht abschätzen. Es dauerte und dauerte und plötzlich erschien auf der Anzeigetafel 11,20m. Woah!!!!! Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Das war überwältigend. Ich war geplättet. Erst dachte ich, dass sie sich vielleicht vertan hatten, aber es blieb 11,20m. 
Mit dem Glück ist es so eine Sache. Die Momente, in denen man total davon durchflutet wird, die sind unwahrscheinlich kostbar und das, das war einer davon. Einige haben mir gesagt, ich hätte mir den Weltrekord doch für Rio aufheben sollen, aber sowas lässt sich schwer steuern und jetzt hatte ich ihn halt in Grosseto und war dort sehr glücklich. 
Das Gute daran ist vor allem, dass ich weiß, dass diese Weite in mir steckt und so kann ich mich nun konstant auf die 11m hocharbeiten. Das ist sehr wichtig, weil ich nicht genau weiß, was die Chinesin in Rio aus dem Hut zaubern kann. Ich hab keine Angst, ich will nur gerüstet sein!

Foto: Marcus Hartmann (super!!!)
Hier ist das Video vom Wettkampf (bei 10:30 ist der Weltrekordstoß)


Grosseto war ein super Etappenziel für mich auf dem Weg nach Rio. Vor allem aber bin ich unheimlich glücklich, dass meine internationale Premiere im stehenden Werfen so erfolgreich war. 

Dann kam die Siegerehrung und ja, das war ein großer Moment, im Stehen dort meine Hymne hören zu dürfen. 
Ich bin Christ und dieser Erfolg geht an Gott zurück, der mir auch immer hilft, mein Bestes aus mir herauszuholen! 


Es war eine gute Europameisterschaft, eine gute Zeit im Team - so kann es weitergehen!


Donnerstag, 2. Juni 2016

Generalprobe für Europameisterschaft geglückt - noch 96 Tage bis Rio 2016

Irgendwie war ich schon aufgeregt vor dem Wettkampf in Erfurt, denn ich persönlich nehme jeden Wettkampf gleich ernst, egal, ob er groß oder etwas kleiner ist. Für mich ging es in Erfurt darum, die Norm für die Paralympics in Rio nochmal zu bestätigen, denn ich hatte sie zum ersten Mal in Dubai gestoßen und das war im März 2016. Und jeder Athlet, der die Norm im ersten Quartal 2016 erbracht hat, der muss sie nochmal bestätigen. 
Weiter wollte ich nach gut zweieinhalb sehr ergiebigen Trainingsmonaten einfach nochmal einen Art Testwettkampf vor der Europameisterschaft bestreiten, quasi eine Art Generalprobe. Es ist doch immer etwas anderes, ob man im Training stößt, oder ob es dann richtig um was geht. 


Ich hatte eine richtig gute Zeit in Erfurt, hab mich sehr gefreut, dort Sportfreunde zu treffen, die ich ansonsten teilweise nur von Facebook kenne und wir hatten auch Zeit für ein ausgiebigeres Gespräch. Es war schön in so einer Atmosphäre zu stoßen, die einfach geprägt war von so viel nettem Miteinander. Dafür nochmal Danke! 

Die Stöße liefen gut: locker und weit. Ich habe die Norm mit einem neuen deutschen Rekord über 10,59m bestätigt, der genau 5cm vom Weltrekord der Chinesin  Wu Qing entfernt ist. Den will ich mir irgendwann holen, aber noch wichtiger ist, dass ich mir noch eine kleine Pufferzone ausbaue, denn bei den Chinesen weiß man nie so genau, was die so "aus dem Hut" zaubern. Ich will für Rio gerüstet sein!

Vor allem aber freut es mich, dass ich nach all den Tiefschlägen des letzten halben Jahres, der verpassten WM und der schweren OP mit dem "Hirnschrittmacher" letztes Jahr und der Schulter OP jetzt wieder defintiv oben auf bin!